Performances | Kunst im Duo

Zur performativen Arbeit von Inge Broska und Hans-Jörg Tauchert

Spontaneität und Alltagsbezug
Inge Broskas performative Arbeiten bedienen sich verschiedener Ausdrucksformen. Sie sind expressiv, geprägt von Spontaneität und Alltagsbezug. Als Teil der Ultimate Akademie, einem Künstlerkollektiv, das 1987 gegründet wurde, hatte sie die Möglichkeit, ihre Ideen und Konzepte in Zusammenarbeit mit anderen Künstlerinnen und Künstlern umzusetzen. Broskas Performances sind oft ephemere Kunstwerke, die eine direkte und unmittelbare Reaktion auf aktuelle Themen darstellen. Durch ihre Arbeit möchte sie auf die Vergänglichkeit des Lebens und die Bedeutung des Erinnerns aufmerksam machen. Dabei verbindet sie z.B. Themen wie Tod und Esskultur mit Eat-Art, Ein Beispiel dafür ist die Performance „Monster-Babies / Tod durch Schokolade“, die Broska mit Yola Berbesz im Jahr 1991 in der Kölner Galerie am Schlachthof. In dieser Arbeit setzten sie sich kritisch mit dem Konsum von weißem Haushaltszucker auseinander und zeigten die süße Gefahr und das Suchtpotenzial, das in vielen Lebensmitteln verborgen ist. Dabei wurden Schokoladen-Nikoläuse geschmolzen und Schokoladenstücke mit einem Bügeleisen auf Kleidungsstücke appliziert. Ähnlich agierte Broska in „Inges Kochstudio“, das sie parallel zur documenta IX realisierte. Diese Aktion war Teil des TV-Projekts „Piazza Virtuale“, an dem die Künstlerinnen und Künstler der Ultimate Akademie beteiligt waren. Inge Broska auch in der Ausstellungsszene aktiv. Sie organisierte Ausstellungen und Kunstaktionen, bei denen sie künstlerische Arbeiten präsentierte. Themen waren Verlust, Erinnerung und Heimatverbundenheit. Ein Beispiel dafür ist die Ausstellung „Kommt Kinder, das Essen welkt“, bei der sie einen Streuselkuchen aus Gips präsentierte, der symbolisch für das Verschwinden und den Verlust stehen sollte. Sie engagierte sich auch im Frauenmuseum Bonn, sowohl als Künstlerin als auch als Kuratorin. Sie setzte sich für die Sichtbarkeit von Künstlerinnen ein und organisierte Ausstellungen im Bereich Fluxus. Inge Broskas performerische Arbeit ist bestimmt durch Vielseitigkeit und kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen.

Inge Broska und H.J.Tauchert, Fotos: Sammlung Hausmuseum

Zusammenarbeit mit Hans-Jörg Tauchert
Ende der 1980er Jahre begann darüber hinaus eine intensive Zusammenarbeit von Inge Broska mit ihrem Lebenspartner Hans-Jörg Tauchert im Bereich der Performance. Mit der Gründung der „Performance-Gesellschaft“ legten sie den Grundstein für die Entwicklung eines Performance-Netzwerkes. Die Künstlerpartnerschaft von Inge Broska und Hans-Jörg Tauchert eröffnet einen Raum für kritische Reflexion und kreative Innovation. Diese Zusammenarbeit ist geprägt von künstlerischen Ansätzen und thematischen Erkundungen. Insbesondere die Arbeiten im „Kontaktcafé“, die kritische Betrachtung der „Fernseherstilllegung“, die Auseinandersetzung mit Krieg und militärischen Ritualen sowie die eigenwilligen Inszenierungen von Schweigepartys und dem sogenannten „Donauwälzer“ (Broska/Tauchert wälzen sich in ausgestreutem Mehl) bilden ein reichhaltiges Repertoire. Das „Kontaktcafé“, das bereits 1988 im Skulpturenmuseum Glaskasten Marl präsentiert und immer wieder an verschiedenen Orten über Jahrzehnte hinweg realisiert wurde, enthält eine Kritik an der zunehmenden Dominanz des Fernsehens in unserer Gesellschaft aus. Die Verwendung von stillgelegten und entkernten Fernsehern als Rahmen für face-to-face-Gespräche mit Besucherinnen und Besuchern verdeutlicht das Bedürfnis, die zwischenmenschliche Kommunikation wieder in den Fokus zu rücken. Das „Kontaktcafé“ lädt dazu ein, über die Auswirkungen von Massenmedien auf unsere sozialen Interaktionen nachzudenken.



Inge Broska und H.J. Tauchert, Performance gegen Militarismus, Foto: Sammlung Hausmuseum

Fernseherstilllegung
Die „Fernseherstilllegung“ (ca. 1995) als Aktion und Performance, begleitet von Vorträgen, zeigt die Verknüpfung von Kunst und Theorie in ihrer Arbeit. Hierbei wird das Publikum zum kritischen Nachdenken über die Macht der Medienmanipulation und der passiven Informationsaufnahme angeregt. Die bewusste Abschaltung des Fernsehens kann als Aufforderung zur Selbstreflexion und zur kritischen Medienanalyse verstanden werden. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist das Thema Krieg und militärischen Rituale. Dabei wird die oft heroische Darstellung von Krieg und Gewalt in den Medien und der Gesellschaft durchbrochen, und das Publikum wird dazu ermutigt, die Realität hinter der Fassade zu erkennen und zu hinterfragen. Die Inszenierungen von „Schweigepartys“ und dem bereits erwähnte „Donauwälzer“ sind Ausdruck einer subversiven Komik und einer spielerischen Rebellion gegen gesellschaftliche Konventionen. Diese Performances werfen Fragen auf, was als normal oder akzeptabel betrachtet wird, und ermutigen dazu, die Grenzen des Konventionellen zu überschreiten und das Bekannte neu zu bewerten.



Inge Broska und H.J.Tauchert, Andrew Walther, Parzival, Enno Stahl, Ralf Filges, Scully Acosta, Nini Flick, Volker Hamann,
Foto: Pietro Pellini

Sensibilität für soziale und kulturelle Themen
Die künstlerische Partnerschaft von Inge Broska und Hans-Jörg Tauchert zeigt eine tiefe Sensibilität für soziale und kulturelle Themen sowie eine kritische Haltung gegenüber den Mechanismen der Massenmedien. Ihre Aktionen und Performances fordern das Publikum dazu auf, die Welt aus neuen Perspektiven zu betrachten, Fragen zu stellen und eine aktive Rolle in der gesellschaftlichen Diskussion einzunehmen. Damit tragen sie zu einem reichhaltigen künstlerischen Diskurs bei und ermutigen uns, über die Kunst hinaus in die Welt zu schauen und Veränderungen zu bewirken.

H.J.Tauchert durch ein leeres TV-Gehäuse zu sehen, Foto: Sammlung Hausmuseum

Zusammenarbeit mit Gerda Nettesheim
Die jahrelange Zusammenarbeit von Inge Broska und Gerda Nettesheim ist ein weiterer Schwerpunkt. Häufig stehen Möbelstücke, mit Klaviersaiten bespannt, im Mittelpunkt der Inszenierungen. Möbel, die normalerweise statische Objekte sind, werden durch die Klaviersaiten zu aktiven Instrumenten. Dadurch wird das traditionelle Verständnis von Musik und Musizieren herausgefordert und eine spannende Transformation von Alltagsgegenständen in Kunstwerke herbeigeführt. Die Verwendung von Klaviersaiten verleiht den Performances einen einzigartigen klanglichen Aspekt. Klaviersaiten erzeugen einen unverwechselbaren Klang, der eine breite Palette von Emotionen und Stimmungen vermittelt. Die Musizierenden können mit diesen Saiten eine Vielzahl von Klängen erzeugen, von sanften und melancholischen bis hin zu lauten und dissonanten Tönen. Dies schafft eine akustische Dimension, die das Publikum sowohl körperlich als auch emotional anspricht.



Gerda Nettesheim, Inge Broska, Performance, Instrumentenbau: Gerda Nettesheim, Gesang: Inge Broska, Alle Fotos: Peter Nettesheim

Interaktion zwischen Performerinnen und Objekten
Der Einsatz von Geigenbögen reichert die Vielfalt möglicher Klänge um einzigartige Nuancen an, da dies den Performerinnen erlaubt, die Saiten auf sanfte und zugleich intensive Weise zu bespielen, wodurch eine ganz andere klangliche Tiefe erreicht wird. Auch hinsichtlich der visuellen Ästhetik bieten die Möbelstücke ein fesselndes Bild. Die straff gespannten Klaviersaiten vermitteln ein Gefühl der Erwartung und der potenziellen Bewegung. Die Bewegungen werden von den Klängen begleitet, was eine synästhetische Erfahrung erzeugt, bei der Klang und Bewegung miteinander verwoben sind. Die Verwendung von Sägewerkzeugen, die zusätzlich wie Geigenbögen eingesetzt werden, fügt sicherlich eine weitere Dimension hinzu, indem sie eine noch breitere Palette von Klängen, Texturen und Bewegungsmöglichkeiten ermöglichen. Auch hier werden nicht nur Klänge erzeugt, sondern auch visuelle Effekte geschaffen. Denn die Sägeblätter setzen auch das Material in Bewegung, die Möbel wackeln und krachen. Dies bewirkt eine dynamische Interaktion zwischen Performerinnen und Objekten und erhöht die visuelle Intensität der Performance. Zudem stiftet die Verwendung von Sägewerkzeugen eine interessante Parallele zwischen Kunst und Handwerk, wirft Fragen nach der Beziehung von Tradition und Innovation auf.



Inge Broska, Gerda Nettesheim, Bett und Schrank, saitenbespannt, Foto: Peter Nettesheim

Trampen in New York, Foto: Hildegard Weber