HAUSMUSEUM OTZENRATH



Otzenrath-Stipendien


Das Otzenrath-Stipendium wurde 1993 von Inge Broska im Rahmen ihres Hausmuseums ausgeschrieben, um Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit zu geben, sich mit der Situation vor Ort auseinanderzusetzen.

Es gibt Künstlerinnen und Künstlern die Gelegenheit, die Landschaft, die umliegenden Dörfer und die Geschichte des Ortes zu erkunden. Inge Broska fungiert dabei als Gastgeberin und führt die Stipendiatinnen und Stipendiaten zu den Abbruchkanten oder zum Dorfbäcker und stellt sie der Gemeinschaft vor. Die Künstlerinnen und Künstler werden Teil der Geschehnisse vor Ort und können ihre Eindrücke künstlerisch verarbeiten. Das Otzenrath-Stipendium will den Teilnehmerinnen und Teilnehmern den Braunkohletagebau Garzweiler I und II der Firma Rheinbraun, der den Lebensraum von Mensch und Natur irreversibel zerstört, aus der Sicht der Tagebaugegner informieren. Der Tagebau bedroht seit langer Zeit, jetzt aber inzwischen unmittelbar, das benachbarte Dorf Garzweilers, Otzenrath, mit Vertreibung seiner Bewohner sowie Vernichtung eines fast 50 km2 großen, mehrere Dörfer umfassenden Gebietes. Außerdem soll die Problematik der noch in Garzweiler lebenden Flüchtlinge, die unter drohender Abschiebung leben, miteinbezogen werden. Das Otzenrath-Stipendium bietet ebenfalls einen Einblick in die kulturellen Besonderheiten des Dorfes Otzenrath und seiner Umgebung. Von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erstellte (kleine) Kunstwerke werden bei der Eröffnung des späteren Hausmuseums ausgestellt und in einer Broschüre dokumentiert. Das Otzenrath-Stipendium sollte in den Lebensläufen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Erwähnung finden, damit der Ortsname präsent sein bleibt.

Stipendiaten ohne Gewähr auf Vollständigkeit

  • 1993   Marianne Tralau
  • 1999    Ralf Filges
  • 2000   Andrew Walther & Alice Kinser
  • 2001   Elisabeth Busch-Holitschke
  • 2001   Tanja Roolfs
  • 2001   Brandstifter
  • 2001   R.J.Kirsch
  • 2002   CAP Grundheber
  • 2005   Margret Schopka
  • 2007   Anne Blass
  • 2019   Gabi Dahl

Anne Blass und Inge Broska, Performance mit Grabeingrenzung
(Gitter vom ehemaligen Friedhof) im Otzenrather Feld
Foto: Manfred Blass

Meine Geschichte mit Inge und wie ich ins Hausmuseum gelangte

Anfang der 1990er fuhr ein Traktor mit einem Hänger vorbei, darauf performten Hans-Jörg Tauchert und Inge Broska. Dadurch sind mir die beiden merklich ins Gedächtnis gerückt und seither nicht entschwunden. In den Jahren ergaben sich wunderbare gemeinsame Aktionen und Begegnungen. Ob Ultimate Akademie, 68elf, Frauenmuseum oder DAS Streuselkuchenessen in Otzenrath. Der Stoff ist uns bisher nicht ausgegangen.

Inge, die Gastgeberin

Meine liebe Freundin hat verstanden, dass die Weiterexistenz, die Erinnerung an Otzenrath davon abhängt, ob Menschen sie im Herzen und Denken tragen. Sie lud uns Künstler ein, in Tuchfühlung mit der Landschaft und den umliegenden Dörfern zu kommen. Sie fuhr uns zu den Abbruchkanten, ging mit uns beim Dorfbäcker einkaufen, stellte uns der Gemeinschaft vor. Wir alle wurden Teil und Zeuge der Geschehnisse. Ich war 2002 Otzenrath-Stipendiatin. Bewaffnet mit Richtmikrofon und Rekorder führten mich meine Wege rund ums Loch, den Tagebau Garzweiler II. Ich nahm O-Töne auf, von quietschenden Friedhofstoren, das Windbrausen durch Rotbuchen in Garzweiler, Bienen- summen bis zu den Traktoren auf den Feldern und natürlich Sounds aus dem Hausmuseum Otzenrath, wie Inge im Hof am Stein die Messer wetzte. Das Audioprojekt trägt den Titel „Randzonen-Notiz“.

Cap Grundheber, Multimediakünstlerin

Als wir Kinder waren, zogen meine Eltern aus der Eifel kommend in die Nähe des Tagebaus. Die Grube nannten wir nur das Loch. Eine bleibende Erinnerung jener Tage sind die Geräusche der Förderbänder, die durch die Nächte ächzend die Kohle transportierten. Ein Sound, den ich weder mochte noch verstand.

Solche historischen Gartengeräte erinnern uns an vergangene Arbeitsweise

Alice Kinser und Andrew Walther

Collagen

Andrew Walther und Alice Kinser traten ihr Stipendium im Jahr 2001 an. Sie erstellten mehrere Collagen in dem für sie typischen Stil, die Gegenstände aus dem Inventar des Hausmuseums wiedergeben. Zwei weitere Collagen befinden sich weiter oben auf Seite 65.

Nach Kalifornien

Als Mitglieder der Kölner Ultimate Akademie gestalteten sie deren Entwicklung in den 1990er Jahren mit. Später ließen sie sich dann in ihrer Heimat Kalifornien/Modesto nieder und bildeten dort eine „Außenstelle“ der Ultimate Akademie.

Alice Kinser und Andrew Walther am Tor zur Immerather Mühle, heute zerstört im Tagebaugebiet Immerath

R.J.Kirsch

Blickprojektionen
Als ich im November 2001 mein Stipendium antrat, begann ich zu zeichnen. Die Ergebnisse dieser Arbeit ähneln einer detaillierten Bestandsaufnahme des Hauses und seiner Umgebung. Die Technik, die ich dafür verwendete, erinnert an die Instrumente alter Meister. Ein Stativ hielt eine Glasplatte von etwa 30 × 40 cm Größe, durch die ich den Bildausschnitt betrachtete. Mit einem Permanentstift skizzierte ich den Blick auf die Glasscheibe, wodurch eine Linienzeichnung entstand, die als Spur meiner Betrachtung auf dem schwebenden Glas erhalten blieb. Sobald diese an einer Wand präsentiert wurde, drängte sich unmittelbar die Assoziation des Flüchtigen und des Verschwindens auf – ein Eindruck, der angesichts der drohenden Zerstörung treffender nicht sein könnte.

Belichtung vs. Zeichnung
Meine Arbeitsweise bewegt sich dabei an der Grenze zwischen Fotografie und Malerei. Ähnlich der Anwendung von Glasplatten in der Frühzeit der Fotografie, dient auch hier eine Glasplatte als Basis für die Arbeit. Während die fotografische Belichtung damals auf lichtempfindlich beschichteten Platten stattfand, ersetze ich diesen Prozess vollständig durch meine Zeichnung. Mein Auge agiert anstelle der Linse, der Stift anstelle des Silbers und der Strich anstelle der Belichtung.

Gesamtbild
Das Ergebnis ist eine akribische Zeichnung dessen, was ich gesehen habe. Verzerrungen, Ungenauigkeiten oder Abweichungen vom beobachteten Motiv werden im Gesamtbild aufgefangen. Der dargestellte Raum wird allerdings nicht von mir als Zeichner perspektivisch konstruiert, sondern bildet sich vielmehr unmittelbar durch Auge und Hand auf der Glasplatte ab.

Die Zeichnung auf dem Glas scheint sich wie eine Erinnerung zu entmaterialisieren.

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Frühere Stipendiaten des Otzenrath Stipendiums:

Gabriele Wunderlich, Michael Krämer, Jay Koh, Volker Hamann, Romi Fischer, Ellen Sinzig, Gerrit de Vries, Siglinde Kallnbach, Tina Berendt, Barbara Skaliks, Paulona Tang, Plienbangchang, Paisan, Jurien de Vries, Ute Ballweber, Inge Ihloff, Verena Felice, Eva Wölfle, Barbara Lipps-Kant; Josef Fromm, Manisha Parekh, Ingrid Müller-Boehme, Angelica Schubert, Magnus Lawrie, Uta von Donath, Inge Vavra, Walli Shafai, Babette Eid, Bernadette Tockner, Enno Stahl, Anja Ibsch, Helga Poll, Ralf Filges, Erika Beyhl, Eke Wyngaard, Vasan Sitthiket, Yoshiko Tokyama, Ulla Bleser, Ulli Göken, Ute Ritschel, Anne Ruth Kieschnick, Ulrike Sommer, Heinz Bleser, Ruth Grothe, Christian Schmidt-Chemnitzer, Saxana Schoetschel, Blanche Kauff, Ulrike Osten, Lena Eriksson, R.J. Kirsch, Uta Becker, Nini Flick, Jo Zimmermann, Regina Hellwig-Schmid, Dini Thomsen, Carl Buchner, Alice Kinser, Andrew Walther, Peter Kleinert, Hedwig Vavra, Ursula Liepelt, Marianne Tralau, Jittima Pholsawek, Samira Mutlag, Ruth Knecht, Andrea Saemann, Roland Kerstein, Robin Bleser, Sybille Petrausch, Reidun Ribskog, horstundireneschmitt, Stefan Brand, Tanja Rolfs, Günter Dünkel, Friederike Hüttemann-Dünkel, Jürgen Redig, Esa Caudell, Ute Effland, Dr. Marina Linares, Anna Blass, Manfred Greulich, Marianne Pitzen, Horst Pitzen